Süddeutsche Zeitung Seite R6 (Landkreis KULTUR) Donnerstag, 28. Februar 2008

Premiere im Bürgerhaus Pullach

Horror von jenseits der Gartenhecke

Theatergruppe PUR begeistert Publikum bei Aufführung des Stücks "Die Kriegsberichterstatterin"

Es geht doch nichts über einen eigenen Garten. Dort dürfen botanische Hobbys florieren, und ein prima Rückzugsraum auf der Flucht vor den Unbilden des Lebens ist eingefriedetes Grün obendrein. Man sollte nur nicht den Fehler machen, ausgerechnet in diesem idyllischen Biotop eine Betriebsfeier abzuhalten. Sonst verwandelt sich das Refugium des Behagens unversehens in einen Schauplatz verklemmter Geselligkeit, intriganten Klatsches und misstrauischen Belauerns. Wenn noch dazu eine Kassandra das Schlupfloch im Gartenzaun findet, um von Kriegsgräueln gleich in der Nachbarschaft, zu künden, ist die aufgesetzte Partyfröhlichkeit empfindlich gestört. Immerhin helfen die Horrorbotschaften von jenseits der Gartenhecke, die eigenen Konflikte zu bannen, wenigstens vorübergehend.

Schräge Gartenrunde

Die Dramatikerin Theresia Walser hat ihr Theaterstück "Die Kriegsberichterstatterin" – viel interpretatorischen Spielraum lassend – zwischen Groteske, Komödie, Gesellschaftssatire und Schreckensszenario angesiedelt. Die jeweilige Akzentuierung bleibt dem Regisseur überlassen. Holger Ptacek hat sich für Ausgewogenheit entschieden, was der schrägen Gartenrunde ein Absaufen in Klamauk erspart. Schauspieler und Zuschauer werden auch so hinreichend trunken.

Ptacek ist Spielleiter des neuen Pullacher Ensembles PUR, das seit etwa einem Jahr mimischer Leidenschaft frönt. Die Gruppe ist unter dem weiten Dach der örtlichen Volkshochschule beheimatet und hat nun mit Walsers "Kriegsberichterstatterin" unter starkem Publikumszuspruch im Bürgerhaus Pullach Premiere gefeiert. Eine zweite Aufführung ist für Freitag, 29. Februar, Beginn 20 Uhr, angesetzt.

Die Karikatur einer Institutsfeier mit Mitarbeiter-Auszeichnungen vollzieht sich auf der Bürgerhaus-Bühne in minimalistischer Kulisse. Das ist von Regisseur Ptacek so gewollt, denn er setzt erklärtermaßen nicht auf "überbordendes Ausstattungstheater mit Schockeffekten", sondern will primär den dramatischen Text zur Geltung und den schauspielerisehen Ausdruck seiner Laiendarsteller zum Schillern bringen. Ein ehrgeiziger Anspruch, den seine Truppe konzentriert und konditionsstark (das Walser-Stück dauert über zwei Stunden), wenn auch unterschiedlich überzeugend erfüllt. Bedenkt man, dass die Akteure im normalen Leben in Bäckerei, Kanzlei oder Spedition arbeiten, war der anhaltende Applaus am Ende der Vorstellung auf jeden Fall am Platze.

Ein Theaterstück über ein Institut, in dem der gesamte deutsche Wortschatz gehütet wird, lebt fast zwangsläufig auch vom Sprachwitz. In dieser Hinsicht erweist sich Walser als Meisterin ihres Faches. Wenn der egomanische Direktor Bernd Fütterer (in professoraler Selbstherrlichkeit verkörpert von Hans Jörg Brändle) Ruhestandsgedanken vertreibt, bringt er seine Hybris mit einem Satz auf den Punkt: "Ich selbst wollte auch nicht nach mir kommen."

Seine Frau und die Kollegen, die neben ihm zu Schnittchen und verbalen Scharmützeln eintrudeln, verlegen sich mehr aufs Ablästern oder ohnmächtiges Spekulieren über die Zukunft ihres Hauses. Elke Harbeck in der Rolle der Dozentin Claudia Kanopke löst dabei als elegante Giftspritze schauerliche Wiedererkennungseffekte aus. Gabi Floß (Susanne Mückenmüller) wiederum legt eine Derbheit aufs Parkett, dass man fürchten muss, ein Bauerntheater könnte sie alsbald abwerben.

Um die psychische Stabilität der Institutssekretärin, des ewigen Mädchens Iris Schwertfeger (glaubwürdig zitternd und zagend: Christina Lechner) sorgt sich der Zuschauer ähnlich intensiv wie um das sittliche Heil des IT- Spezialisten Robert Mücken müller (Fredl Helm als Maul- und Antiheld) und der Institutsleiter-Gattin Beate Fütterer (die strubbelige Juliane Braun - welch ein Feger). Dass auch gelehrte Frau manchmal vom guten Ton abweichen, macht Uschi Köhler (als Wissenschaftlerin Jessi) glaubhaft derweil Rainer Gienandt so hölzern als Akademischer Rat einherstolziert, dass Gespött zwingend auf dem Fuße folgt.

Schon eher wie ein Fremdkörper wirkt in dieser Gesellschaft die Doktorandin Olga Petrowskja (Stephanie Lichtenberg, ganz russische Seele). Als Störfaktor schließlich kommt wiederholt Kriegsberichterstatterin (durch betonte Nüchternheit irritierend: Inge Lagally) daher. Ihre Botschaft: Es herrscht Krieg, im kleinen wie im großen. Ein Albtraum in dem trotzdem gelacht werden durfte.

JÜRGEN WOLFRAM